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Viele Ernährungs-Coaches ignorieren den Faktor Chronobiologie des Metabolismus. Nicht aus Bosheit, sondern aus Unkenntnis, und weil die meisten Konzepte nur über Kalorien, Makros und Mahlzeitenqualität funktionieren. Chronotypen haben dagegen die wenigsten auf dem Schirm, und wenn, oft nur mit Halbwissen zur Wissenschaft. Das gilt auch für das Thema „Fasten“.

Die neue ChronoFast-Analyse zeigt nun deutlich:

Der Körper reagiert messbar darauf, wann wir essen – und zwar viel subtiler, als Blutwerte es zeigen.

Bevor man daraus aber heilige Regeln schnitzt, lohnt ein genauer Blick. Denn genau hier trennen sich evidenzbasiertes Coaching und populärer Schnellschuss.

Was die ChronoFast-Daten wirklich zeigen

Das Studien-Setting: 31 übergewichtige Frauen, zwei Szenarien, gleich viele Kalorien:

  • Frühes Essensfenster: 8–16 Uhr
  • Spätes Essensfenster: 13–21 Uhr
  • Kontrolle von Mahlzeiten & Kalorien (isokalorisch!)

Die Ergebnisse waren eindeutig:

  • Über 100 Lipide im Blut veränderten sich je nach Essenszeit.
  • Auch das Fettgewebe zeigte unterschiedliche Genaktivität.
  • Die molekularen Muster sprechen dafür, dass frühes Essen metabolisch „anders“ verarbeitet wird.

ABER:

✖ Keine großen Veränderungen bei Cholesterin, Triglyzeriden oder Insulinsensitivität.

Das Timing beeinflusst also den Stoffwechsel – aber nicht dort, wo wir es gewohnt sind zu messen.

Was Coaches daraus NICHT ableiten sollten

Schnell bilden sich erste Headlines, die daraus wieder pauschale Handlungsdogmen ableiten. Genau das ist aber wieder kontraproduktiv. Denn eine zweite Auswertung zur gleichen Studie zeigte: Intervallfasten ohne Kalorienreduktion liefert keineklassischen metabolischen Vorteile. Der intelligente Mix, abgestimmt auf die jeweilige Situation der Klient:innen, ist King. Interdisziplinäres Wissen beginnt Spezialwissen wieder zu schlagen, das wir vor allem in KI-Zeiten der Knackpunkt für das Überleben als Coach sein.

Fazit: Timing ist ein Faktor – aber kein Ersatz für Kalorienbilanz, Schlaf, Stress und Essensqualität.

Die Frage, die Coaches und Ernährungsexperten jetzt stellen müssen:

Wie integriere ich Essens-Timing sinnvoll – ohne Klienten zu überfordern oder Trends zu reproduzieren?
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5 ChronoFast-Punkte für Coaching & Ernährungsberatung

1. Timing gehört in jedes professionelle Erstgespräch

Dabei geht es nicht darum, Timings vorzugeben, sondern, es als Diagnose-Hinweis zu kommunizieren:

  • Späte Mahlzeiten
  • Energielöcher
  • Appetitspitzen
  • Schlafprobleme
  • Plateaus trotz „korrekter“ Ernährung

All das kann mit Essens-Timing zusammenhängen.

2. Chronotyp = Pflichtwissen für Coaches aus Ernährung und Gesundheit

Ein Frühaufsteher profitiert eher von frühem Essen. Eine Eule um 8 Uhr zum Frühstück zu zwingen, ist dagegen unprofessionell und kontraproduktiv.

ChronoFast liefert Daten – aber nicht für jeden Chronotyp die gleiche Empfehlung. Ein zentraler Punkt ist also neben dem Wissen zu Ernährung und Metabolismus, das Wissen über Chronotypen, Analyse der Ergebnisberichte der Chronotyp-Tests und entsprechende Maßnahmen basierend auf chronobiologischen Erkenntnissen. Alles Andere ist nicht mehr zeitgemäß.

3. TRE-Fasten ist ein Werkzeug, kein metabolisches Allheilmittel

TRE (Time-Restricted Eating) funktioniert, wenn es zum Menschen bzw. seinem Chronotyp passt, und wenn gleichzeitig:

  • Kalorien passen
  • Schlaf passt
  • Stress nicht eskaliert
  • Essensqualität stimmt

Ohne diese Basis verpufft die Wirkung.

4. Frühe molekulare Veränderungen sind ein Warnsignal

Lipidomik & Genexpression zeigen, dass der Stoffwechsel oft früher kippt, als Blutbilder es verraten. Für Coaches bedeutet das:

  • Nicht auf Laborwerte warten.
  • Früh gegensteuern, bevor klassische Marker „rot“ werden.
5. Coaching-Begleitung braucht mehr Rhythmus

Alles in unserem Leben basiert auf einer rhythmischen Organisation der psychischen und physischen Prozesse in unserem Körper (ultradian, circadian, infradian). Dieser Rhythmik kann sich keine Coaching- oder Beratungs-Disziplin entziehen. Wissen um die Chronobiologie hat sich längst vom „Nice-to-have“ zum „Must-have“ für Menschen entwickelt, die andere Menschen begleiten.

Das eigentliche Fazit für Coaches und Ernährungs-Profis

ChronoFast ist kein Startschuss für neue Dogmen, eher ein Wink mit dem Zaunpfahl:

Ernährung ist mehr als Biochemie, Rhythmus ist ein entscheidendes Element.

Wer als Coach nur Kalorien und Makros berücksichtigt, steht nur auf einem Bein, wenn Timing und Chronotyp nicht integriert werden.

Konkret:

Timing nicht überschätzen. Aber vor allem: nicht länger unterschätzen.

Quellen

Deutsches Zentrum für Diabetesforschung: https://idw-online.de/de/news861593

Szekely, K., Mathias J. Gerl, M. J., Beeke Peters; B., Schwarz, J., Schuppelius, B., Damm, M., Soliz-Rueda, J. R., Sehgal,R., Lazaratos, M., Klose,C., Simons, K., Pfeiffer, A. F. H., Schürmann, A., Kramer, A., Michalsen, A., Pivovarova-Ramich, O.: Impact of Intended Isocaloric Early versus Late Time-Restricted Eating on Plasma Lipidome in Women with Overweight or Obesity: Secondary Analysis of the ChronoFast Trial. Adv. Sci. e07149 (2025) [Open Access] [https://doi.org/10.1002/advs.202507149]