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Longevity HealthSpan - Ein Bild von einer Doppelhelix als Puzzle

Longevity: Echte Chance für die Chronobiologie oder Marketing Gag?

Wir alle wollen länger leben … Alle? Okay … viele wollen länger leben. So ist es fast verwunderlich, dass der Trend „Longevity“ erst vergleichsweise kurz auf dem Markt ist. Zunächst: Was genau verbirgt sich dahinter?

Wurzeln und Treiber von Longevity

Die Wurzeln für Longevity liegen in der akademischen Altersforschung (AntiAging). Der Treiber für den Trend war, und das dürfte für einige neu sein, das Silicon Valley, mit Tech- und Biohacking-Ansätzen. Figuren wie David Sinclair (Harvard/US) oder Unternehmen wie Calico (Google) haben das Thema popularisiert, indem sie auf molekulare Biologie, Genetik und verlängerte Health Spans setzten.

Intervallfasten, Nootropika, Schlaf-Tracking und experimentelle Medikamente sind Ausprägungen davon. Es steckt also keineswegs eine organische, sondern eine technikgetriebene, innovationsorientierte Industrie dahinter. So ist es wenig erstaunlich, dass die Breitenwirkung in der Folge durch Lifestyle- und Wellnessangebote, später durch Social Media und Luxusangebote den Trend formte. Heute ist Longevity eine Mischung aus Wissenschaft, Lifestyle, Wellness und Kommerz, mit starkem Einfluss der US-amerikanischen Szene, aber global adaptiert.

HealthSpan: Evolution der Gesundheit oder Augenwischerei?

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Aus dieser Entwicklung stammt auch der Begriff „HealthSpan“, der die „LifeSpan“ als Maßstab ablösen soll. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Global Burden of Disease Study (GBD) verwenden inzwischen das Konzept der „Healthy Life Expectancy“ (HALE) oder kurz: HealthSpan. Es beschreibt die durchschnittliche Anzahl an Jahren, die ein Mensch in guter Gesundheit lebt, unter Einbeziehung chronischer Krankheiten, psychischer Leiden und körperlicher Einschränkungen. Die Lücke zwischen „LifeSpan“ und „HealthSpan“ liegt je nach Land zwischen 10 und 15 Jahren.

HealthSpan klingt also grundsätzlich gut, hat aber einen entscheidenden Haken: Die WHO-Definition von Gesundheit beinhaltet „einen Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit“. In der Praxis bedeutet das jedoch nicht zwingend, dass jemand ohne Medikamente oder völlig symptomfrei sein muss. Wenn ein Zustand durch medizinische Maßnahmen kompensiert wird und die Person sich subjektiv in einem „Gefühl des Wohlbefindens“ beschreibt, fließt sie noch in die HealthSpan mit ein.

Das ist es auch das, was die Kombination „Longevity und HealthSpan“ kennzeichnet. Es geht um Produkte und nicht um selbstbestimmte Gesundheit im Alter. Firmen wie Calico Life Sciences, Altos Labs und Insilico Medicine bekommen Milliardensummen von Jeff Bezos, Alphabet (Google) und Warburg Pincus für Longevity-Produktentwicklungen. Der Trend ist also von Beginn an davon geprägt.

No Medication Healthspan: Gesundheit neu denken

Hier setzt die No Medication HealthSpan an – ein Konzept, das ich bereits in meinem Artikel „No Medication HealthSpan – Gesundheit neu denken“ vorgestellt habe. Es definiert Gesundheit nicht nur als Abwesenheit von Krankheit, sondern als Zustand, in dem der Körper ohne medikamentöse Unterstützung, selbstregulierend funktioniert.

Es geht also darum, die Selbstregulationsmechanismen des Körpers zu stärken und Symptome nicht zu unterdrücken, sondern als Hinweise auf notwendige Anpassungen zu verstehen.

Longevity: DIese Grafik zeigt LifeSpan, HealthSpan und NoMedication HealthSpan im Verlauf der letzten Jahre. Während erstere steigen, sinkt die NoMedication HealthSpan.

„Ein Mensch, der ohne Medikamente lebt, sich selbst reguliert, auf Symptome hört und diese nicht unterdrückt, wäre gesünder nach dieser Definition – auch wenn er gelegentlich Symptome zeigt. Denn ‚Krankheit‘ kann Zeichen eines gesunden Organismus sein.“

Die No Medication HealthSpan stellt die traditionelle WHO-Definition infrage und fordert eine neue Perspektive auf Gesundheit: Selbstregulation, Bewusstsein für den eigenen Körper und die Fähigkeit, symptomatische Hinweise ernst zu nehmen, sind entscheidend. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der eigenen Biologie und eine enge Verbindung zu den natürlichen Rhythmen des Körpers.

Jedoch: Eine NoMedication HealthSpan liefe 180 Grad gegen die Ziele der bereits angesprochenen Unternehmen und Investoren.

Die Schnittstelle: Wo Rhythmus auf Longevity trifft

Dieser Ausflug war nötig, um Longevity in das korrekte Licht zu rücken, denn das alleine, gesteuert durch Ernährung, Bewegung oder Supplements, reicht nicht aus. Chronobiologie ist hier der entscheidende Faktor – das „Timing“, das alles erst wirksam macht.

Chronobiologische Prozesse steuern, wann der Körper Funktionen wie Schlaf, Verdauung oder Zellreparatur ausführt. Nur wenn diese Prozesse im Einklang mit den natürlichen Rhythmen stehen, können klassische Longevity-Maßnahmen ihre volle Wirkung entfalten.

Ein Beispiel: Intervallfasten funktioniert nur, wenn es mit den zirkadianen Rhythmen abgestimmt ist. Ebenso entfaltet Bewegung ihre Effekte nur dann optimal, wenn sie zu den passenden Tageszeiten stattfindet. Chronobiologisch optimierte Arbeitszeiten (COPEP) sollten daher ebenfalls ein zentrales Longevity-Thema sein.

Die beiden stabilen Säulen echter Longevity sind somit:

  1. Klassische Maßnahmen: Ernährung, Bewegung, Stressmanagement

  2. Chronobiologie: Timing, Rhythmen, Synchronisation

Wenn eines dieser Beine wackelt, gerät das gesamte Konzept ins Wanken. Nur die Kombination aus beiden ermöglicht eine No Medication HealthSpan, also echte, selbsttragende Gesundheit.

Praktische Umsetzung

Um Chronobiologie in den Alltag zu integrieren:

  1. Chronotyp erkennen und respektieren: Die Bandbreite zwischen dem frühesten und dem spätesten Chronotyp liegt bei über 13,5h. Viel Zeit, um bei Unwissenheit über den eigenen Chronotyp gegen die Körperfunktionen zu arbeiten. 

  2. Schlaf optimieren: Schlafhygiene bedeutet regelmäßige Schlafenszeiten mit der inneren Uhr, Blaulichtreduktion, ruhige Umgebung

  3. Ernährung anpassen: Mahlzeiten bestmöglich in Zeiten legen, wo die eigene Chronobiologie den Metabolismus des Körpers unterstützt, und nicht ausbremst. Das sieht je nach Chronotyp anders aus. 

  4. Bewegung integrieren: Training entsprechend des eigenen Chronotyps planen, um die Effizienz zu steigern, und nicht gegen den Körper zu trainieren. 

  5. Lichtmanagement: Morgens Tageslicht oder mindestens, Tageslichtlampen, abends gedämpftes Licht, ab 2h vor dem Schlaf keine Nahrung und keine blaues und helles Licht.

Zukünftige Longevity-Strategien sollten klassische Maßnahmen mit chronobiologischen Aspekten verbinden, ohne diese nur über Produkte oder Supplements zu kompensieren.

Fazit: Echtes Longevity erfordert mehr Tiefe ...

…, denn sie ist mehr als Ernährung, Fitness oder Supplements. Sie erfordert ein tiefes Verständnis der natürlichen Rhythmen und deren Integration in den Alltag. Nur so kann die No Medication HealthSpan erreicht werden – ein Zustand der selbstregulierten Gesundheit, frei von medikamentöser Unterstützung.

Wer den Trend ernst nimmt, muss über Buzzwords hinausgehen: Zeit, Rhythmus und Selbstregulation sind die wahren Hebel.

Quellen