Der CORONA-Tunnelblick

Corona Schlafdefizit SchlafmangelAuf Instagram habe ich vor kurzem folgendes Meme in Zusammenhang mit Corona gelesen:

„Ich schule auf Arzt um, das geht inzwischen sehr schnell. Es gibt ja nur noch eine Krankheit!“

Dieser sicher provokante (im Übrigen nicht von mir stammende) Spruch soll auf die Fokussierung aufmerksam machen, die die Politik seit nun knapp einem Jahr mit Nachdruck in der Bevölkerung aber auch der Wirtschaft und der Gesundheitswirtschaft forciert hat, und deren gravierende Auswirkungen in meinen Augen aber erst in den kommenden Jahren deutlich werden. Gerade Gesundheitsthemen, die bis Anfang 2020 noch höchste Priorität hatten, verschwanden von einem Tag auf den anderen völlig aus dem Blickfeld, als würde es sie von heute auf morgen nicht mehr geben. Ein paar Beispiele:

  • Schlafdefizit:

    Schlafdefizit kostet die Volkswirtschaft inzwischen fast 60Mrd.€ jährlich(!)[1]Rand Europe Corporation 2016. Das ist mehr als ¼ des prognostizierten volkswirtschaftlichen Schadens von Corona in 2020 in Deutschland[2]https://www.welt.de/wirtschaft/article223253888/DIW-Prognose-Corona-Krise-kostet-Deutschland-391-Milliarden-Euro.html, jedoch mit dem Unterschied, dass Schlafdefizit diesen Schaden jedes Jahr völlig ohne Lockdown, Einschränkungen und Maske „erwirtschaftet“, also quasi unerkannt ganz nebenbei, Tote durch die Folgen von Übermüdung (z.B. Unfälle, Katastrophen) inklusive.

  • Ernährung:

    “Nach den Berechnungen … sterben in Deutschland jedes Jahr 165.000 Menschen vorzeitig durch ernährungsbedingte kardiovaskuläre Komplikationen”![3]https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Deutsche-ernaehren-sich-schlecht-252291.html

    Auch hier liegt die Betonung auf „jedes Jahr“. Die Politik hält sich jedoch im Vergleich zu den Reaktionen auf den Corona-Virus massiv zurück, wohlwissend, dass die Entwicklung in der Ernährung ein Kernproblem unseres ganzen Gesundheitssystemes darstellt. Dabei sind sich Wissenschaftler einig: Die richtige Ernährung stärkt das Immunsystem auch und gerade gegen schwere Auswirkungen von Viruserkrankungen. Eine Studie[4]https://www.derstandard.at/story/2000017712884/ungesunde-ernaehrung-und-bewegungsmangel-kosten-milliarden hat für Österreich einen jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden von 12,2 Mrd. durch falsche Ernährung ermittelt, das sind 1.370€/Einwohner. Hochgerechnet auf die Einwohner in Deutschland wären dies knapp 110 Mrd.€ jährlich (!). Das wäre die Hälfte des für 2020 angesetzten o.g. volkswirtschaftlichen Schadens für Deutschland. Auch hier gilt: Diese Schadenshöhe entsteht jedes Jahr ohne Lockdown, Einschränkungen und Masken.

  • Psychosomatische Erkrankungen:

    2008 gab es die letzte Erhebung zu den volkswirtschaftlichen Kosten. Damals wurden rund 70 Mrd.€ angesetzt[5]Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Aufgrund der seit diesem Zeitpunkt stark gewachsenen Anzahl an Diagnosen, vor allem im Bereich der Fehlzeiten in Unternehmen [6]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/246810/umfrage/arbeitsunfaehigkeit-aufgrund-psychischer-erkrankungen/(+30% zwischen 2009 und 2019), kann man die vorsichtige Schätzung von knapp 100 Mrd.€ als jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden anstellen.

Durch Überschneidung potenzieren sich deren negativen Auswirkungen nochmals. Das sind alles Themen, die auch ohne Corona schon dauerhaft volkswirtschaftlichen Schaden verursacht haben, jedoch gerade in Pandemiezeiten maßgeblich an Bedeutung gewinnen sollten. Ängste, Arbeitsüberlastung, Homeoffice & Co. sind Faktoren, die extremen Einfluß auf Schlafqualität und -dauer, Ernährungsverhalten sowie psychische Gesundheit haben.

Zitat aus dem Ärzteblatt v. 29.10.2020 “Coronapandemie: Manche schlafen besser, andere schlechter”
„Mitarbeiter auf Intensivstationen sind durch die Schichtarbeit sowieso schon für Schlaf­störungen gefährdet – und das erhöht ihr Risiko für Infektionen und schwere Verläufe“, betonte der Essener Pneumologe. „Wir dürfen die Mitarbeiter auf den Intensivstationen nicht immer weiter überfordern.“ Dr. Georg Nilius, Direktor der Klinik für Pneumologie der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte.

Schlafstörungen sorgen also für ein erhöhtes Risiko für Infektionen und schwere Verläufe. Wenn man dies aktuell offen anspricht, erntet man bestenfalls ein mitleidiges Lächeln, was aber schlichtweg nichts an dem Fakt ändert.

Aber auch für große Teile der Gesundheitswirtschaft gibt es aktuell kaum andere Themen als Corona und die Lösungsalternativen Lockdown, Digitalisierung und Impfung. Ein gefährlicher Tunnelblick, dessen Auswirkungen sich dann zeigen werden, wenn Corona tatsächlich einmal an Schrecken verlieren sollte. Ob man die Kausalität der sich dann zeigenden Schäden durch die politisch verschlafenen Chancen erkennen will, ist fraglich, denn letztendlich würde dies die aktuelle Schlagseite in Sachen Gesundheitsschutz aufdecken.

Und noch etwas: Wir dürfen nicht vergessen, dass die oben genannten Schäden zwar in Euro ausgedrückt sind, aber ebenso schweres Leid bis hin zu hohen Todeszahlen beinhalten. Sprich: Die Corona-Maßnahmen, die Menschen vor Leid und Tod schützen sollen, fordern Ihrerseits kurz-, mittel- und langfristig wieder Leid und Tod auf Ebenen, die nicht (mehr) im Fokus stehen, und nicht täglich den Bürgern in Form von Statistiken auf dem Frühstückstisch präsentiert werden.

Chance verschlafen?

Schlafdefizit kostet deutsche Volkswirtschaft fast 50 Milliarden €
Schlafdefizit kostet die deutsche Volkswirtschaft fast 60 Milliarden € jährlich

Dieser Tunnelblick der Politik und der Gesundheitswirtschaft hat aber noch ganz andere Folgen, die gerne verniedlicht oder als irrelevant beiseite geschoben werden.

“Nicht die Infektionen sind das Problem, sondern einzig die schweren Verläufe.”

Fakt ist: Gäbe es die nicht, hätten wir keine pandemisch relevante Situation. Es ist inzwischen unstrittig, dass der Schwerpunkt der schweren Verläufe mit Todesfolge bei Menschen mit Vorerkrankungen [7]https://www.tagesspiegel.de/wissen/neue-daten-zu-coronavirus-toten-etwa-97-prozent-der-an-covid-19-verstorbenen-hatten-vorerkrankungen/25837864.htmlliegt. Es sei dahingestellt, ob es nun 80% oder 97% sind. Interessanterweise gibt es bis heute in Deutschland hierzu keine ausführlichen Auswertungen zu den Ausprägungen dieser Vorerkrankungen, obwohl Virologen und Epidemologen diese schon im Mai 2020 eingefordert haben[8]https://www.tagesspiegel.de/wissen/neue-daten-zu-coronavirus-toten-etwa-97-prozent-der-an-covid-19-verstorbenen-hatten-vorerkrankungen/25837864.html. Warum eigentlich nicht?

Denn wenn man sich die Statistik der Vorerkrankungen in Deutschland ansieht wird auch klar, warum Auswirkungen  jedweder Epidemie oder Pandemie in Deutschland so gravierend sein können:

Anmerkung zu COPD: Laut Statistischen Bundesamt wurden im Jahr 2018 in deutschen Krankenhäusern insgesamt 245.961 Fälle[13]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1073103/umfrage/stationaere-faelle-chronisch-obstruktiver-lungenkrankheit-nach-geschlecht/ von chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) gezählt. Mit 58%[14]https://www.thieme.de/de/presse/beatmungspatienten-142977.htm  zählen sie zu den Hauptnutzern künstlicher Beatmungssysteme. 90% der Menschen mit COPD sind wiederum Raucher. Das bedeutet, dass die Mehrheit der Beatmungsgeräte dauerhaft von Menschen belegt ist, die bewußt ihre Gesundheit durch Tabakkonsum schädigen. Dies wird in der Diskussion um den Flaschenhals „Beatmungsgeräte“ im Zusammenhang mit schweren Corona-Verläufen völlig außer Acht gelassen. Der schwarze Peter wird nun den Menschen zugeschoben, die Vorbehalte gegen die Impfung haben. Selbst aus der Gesundheitswirtschaft werden Rufe laut, diese Personengruppe solle im Corona-Krankheitsfall freiwillig auf Beatmungsgeräte verzichten. Ein solcher Aufruf an Raucher ist bisher nicht gestartet worden.

Viele Vorerkrankungen gehen oft Hand in Hand, wie z.B. Adipositas und Bluthochdruck[15]https://www.ifb-adipositas.de/blog/2013-08-19-bluthochdruck-die-stille-gefahr, was die Situation verschärft.

Durch die Politik wird eine gewaltige Chance vergeben. Anstatt zu erforschen, welche Vorerkrankungen maßgeblich für schwere Verläufe von Covid-19 verantwortlich sind, um dann wiederum verstärkte und massive strategische Maßnahmen gegen diese Vorerkrankungen selbst zu treffen, wird in Sachen Pandemie einzig auf eine Impfung hingearbeitet. Ein Rückschluss vom Zustand des Immunsystem auf die Schwere der Verläufe wird beharrlich nicht thematisiert. Professionelle Ursachenforschung sieht anders aus.

Im November 2020 wurde eine Petition gestartet, die eine „Erhebung über die wahren Ursachen schwerer Verläufe von Pandemien“ einforderte[16]http://petition.sarshep.de. Maßgebliche Politiker wurden angeschrieben, kein einziges Feedback erfolgte. Ob man sich bewußt dieser Verantwortung entziehen will oder schlichtweg überfordert ist sei dahingestellt. Aber nach einem Jahr brachialer Lockdown-Gewalt sollte man auch andere Wege initiiert haben.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Wer ertrinkt, schlägt in Panik um sich und erschwert dadurch sein Rettung. Dieses Bild erscheint mir sehr passend für die aktuelle (Gesundheits-)Politik. Der panische Fokus auf das vermeintliche „Überleben“ verdeckt alles andere. Dabei wird, bewußt oder unbewußt, ausgeblendet, dass das, was einem helfen kann, eigentlich direkt vor der Nase liegt. Dies zu erkennen, bedarf jedoch einer ruhigen Betrachtung der Situation. Man stellt sich die Frage, warum diese Ruhe bei doch angeblich schon teilweise lange vor Corona vorhandenen Pandemiekonzepten[17]https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/Pandemieplanung/Pandemieplanung_Node.html, nun auch nach über 365 Corona-Tagen noch nicht eingetreten ist.

Was mich vor allem nachdenklich stimmt ist, dass Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Verbände der Gesundheitswirtschaft sich teilweise diesen Tunnelblick von der Politik haben aufzwingen lassen. Gerade jetzt wäre es an der Zeit, nit Nachdruck grundlegende Weichen bei Themen wie Schlaf, Ernährung und damit in der Folge Psychosomatik zu stellen.

Wenn die Äste eines Baumes absterben, sollte man sich Gedanken über den Boden machen, und nicht versuchen die Äste abzustützen, damit sie nicht abbrechen.

Nur wenige Krankenkassen, wie z.B. die AOK, fördern aktiv und strategisch z.B. das Thema Schlaf und Chronobiologie im Bereich des Betrieblichen Gesundheitmanagements [18]https://www.aliamos.de/innovation-der-schichtarbeit-das-projekt-chronotypenorientierte-personaleinsatzplanung/. Aber auch hier fehlt noch der Kontext zur Pandemie, um die Wichtigkeit der Maßnahmen gerade jetzt zu verdeutlichen.

Denn über massive Einbindung der Themen Schlaf, Ernährung und Psychosoziale Gesundheit könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen:

  1. Die negativen psychosozialen, gesundheitlichen Auswirkungen der aktuellen Pandemie zu reduzieren und
  2. damit die Grundlage für Resilienz und gestärktes Immunsystem bei zukünftigenViruserkrankungen oder anderen Erkrankungen zu schaffen.

Ein Nichtergreifen dieser Chance durch die Politik läßt für mich einzig den Schluss zu, dass man es wider besseren Wissens nicht will, um einen anderen Zweck zu verfolgen.

Fazit

Sein Immunsystem zu schädigen ist wie den Gurt im Auto anzuschneiden

In der Bedürfnispyramide von Maslow stehen Essen, Trinken, Schlaf und Atmung als physiologische Grundbedürfnisse ganz bewußt als Fundament der Bedürfnis-Pyramide, da wir ohne die ausreichende Befriedigung dieser Bedürfnisse nicht leben können. Sämtliche Pandemiepläne die jemals erstellt wurden, basieren aber gesundheitstechnisch einzig auf “reaktiver” Prävention. Keiner dieser Pläne berücksichtigt eine Präventivstrategie, die die Bevölkerung an sich resilienter gegen die Auswirkungen von Influenza und Corona werden ließe. Wenn Ernährung, Schlaf und Atmung dauerhaft geschädigt werden, dann werden Viren, mit denen ein Immunsystem im Normalfall klar kommt, dauerhaft schwerwiegende Auswirkungen haben. Bei Corona sehen wir, dass bei über 95% der Infizierten eine Infektion ohne schwerwiegende Folgen verläuft[19]Quelle: RKI Situationsbericht vom 16.02.2021 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-16-de.pdf?__blob=publicationFile. Dies zeigt deutlich, dass nicht das Virus aussergewöhnlich tödlich oder gefährlich ist, sondern dass vor allem diejenigen, deren Immunsystem geschädigt ist, dem Virus wenig entgegensetzen können. Hier gilt es massiv strategisch anzusetzen, um dem Immunsystem wieder den Stellenwert zu geben, den es in der restlichen Fauna hat. 

Vergleichen wir unser Immunsystem mit einem Sicherheitsgurt, dann schneiden Menschen, die sich ungesund ernähren, rauchen oder auf anderem Wege ihre Gesundheit schädigen bewußt den eigenen Sicherheitsgurt Tag für Tag mit einem Messer oder einer Schere an. Wenn dann im Falle eines Unfalls (Virusinfektion) der Gurt der Belastung nicht mehr standhält, darf man sich nicht wundern.

 

Referenzen

Referenzen
1 Rand Europe Corporation 2016
2 https://www.welt.de/wirtschaft/article223253888/DIW-Prognose-Corona-Krise-kostet-Deutschland-391-Milliarden-Euro.html
3 https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Deutsche-ernaehren-sich-schlecht-252291.html
4 https://www.derstandard.at/story/2000017712884/ungesunde-ernaehrung-und-bewegungsmangel-kosten-milliarden
5 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN
6 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/246810/umfrage/arbeitsunfaehigkeit-aufgrund-psychischer-erkrankungen/
7, 8 https://www.tagesspiegel.de/wissen/neue-daten-zu-coronavirus-toten-etwa-97-prozent-der-an-covid-19-verstorbenen-hatten-vorerkrankungen/25837864.html
9 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/786707/umfrage/gesamtzahl-und-durch-adipositas-bedingte-todesfaelle-bei-ausgewaehlten-krankheiten/
10 https://www.diabetesde.org/system/files/documents/gesundheitsbericht_2018.pdf
11 https://www.rauchfrei-info.de/fileadmin/main/data/Dokumente/PDF_Download/Faktenblatt_COPD_Rauchen-1.pdf
12 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/_inhalt.html
13 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1073103/umfrage/stationaere-faelle-chronisch-obstruktiver-lungenkrankheit-nach-geschlecht/
14 https://www.thieme.de/de/presse/beatmungspatienten-142977.htm
15 https://www.ifb-adipositas.de/blog/2013-08-19-bluthochdruck-die-stille-gefahr
16 http://petition.sarshep.de
17 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/Pandemieplanung/Pandemieplanung_Node.html
18 https://www.aliamos.de/innovation-der-schichtarbeit-das-projekt-chronotypenorientierte-personaleinsatzplanung/
19 Quelle: RKI Situationsbericht vom 16.02.2021 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-16-de.pdf?__blob=publicationFile