Digitalisierung – Wenn das HR-Management zur IT-Abteilung verkommt

HR-Management oder IT-Abteilung?
HR-Management oder bessere IT-Abteilung?

Gerade habe ich auf Xing einen Artikel zum Thema “Digitalisierung und HR-Management” gelesen.

“HR-Management Digitalisierung & Change in 6 Schritten: Wacht endlich auf!”

titelte dieser Beitrag provokant. Im Kern ging es um die Frage, wer fähig ist, HR-Abteilungen fit für die Digitalisierung zu machen. Dabei wurden folgende 6 Kernpunkte herausgehoben, und als grundlegend für den Change angesehen:

  1. Moderne HR-Tool reduzieren Kosten und Schaffen Kapazitäten
  2. Investitionen schaffen Kostenvorteile
  3. Nachwuchskräfte erwarten Kommunikationskomfort
  4. Mobile Lösungen einsetzen
  5. Mitarbeiter-Daten sind digital besser geschützt, und besser verfügbar
  6. HR-Archiv in der Cloud

Ehrlich gesagt verärgern mich solche Artikel. Es wird von “HR-Management” gesprochen (also von Umgang mit Menschen), aber einzig technische Parameter in den Vordergrund gesetzt. Komplett ungeachtet bleiben die, in meinen Augen mindestens genauso wichtigen, weichen, menschlichen Parameter der Digitalisierung.
Richtschnur ist offensichtlich immer das, was Millenials erwarten würden. Die Frage stellt sich jedoch, wieviel Ahnung Millenials eigentlich von dem haben, was Digitalisierung langfristig auch für sie selbst bedeutet. Es ist so, als würden wir Kindern die von klein auf gewohnt sind, mit Waffen umzugehen, eine friedvolle Zukunft anvertrauen. Ältere Mitarbeiter und deren Bedürfnisse in Sachen “Digitalisierung” werden ohnehin schon gar nicht mehr angesprochen, dabei stellen sie die Mehrheit dar.

Was aber nützt, wenn technisch alles passt, der Mensch jedoch nicht mehr in der Lage sein wird, das, was die Digitalisierung an Einfluss auf eigene Arbeitsleistung, eigenes soziales Umfeld und nicht zuletzt auch die eigene Gesundheit (z.B. Schlafdefizit) hat, beherrschen zu können? Wir gehen immer so ungefragt davon aus, dass ein junger “Millenial” von all dem Ahnung hat und den Älteren schon sagt, wie alles geht. Aber auch der junge, digitalaffine Millenial von heute, wird in 10 Jahren vielleicht schon zum alten Eisen gehören, weil er körperlich und seelisch die Geschwindigkeit der Entwicklung nicht mehr mithalten kann. Wer vor 15 Jahren Webseiten programmiert hat, ist heute schon out, wenn er nicht eben diese Geschwindigkeit der Entwicklung adaptiert hat. Und die Geschwindigkeit erhöht sich rasant. Die 15 Jahre der Vergangenheit werden vielleicht 5-8 Jahren der Zukunft entsprechen. Und wir dürfen nicht vergessen, die ersten Vertreter der Post-Millenials (Generation Z) steht schon mit frisch gedrucktem Abi-Zeugnis in den Startlöchern. Wo immer man auch die Grenze zwischen diesen beiden zieht.

Der Change in das Digitale Zeitalter ist technisch das kleinste Problem. Da gibt es ein Heer an Beratern, die das mehr oder weniger gut können. Das größte Problem wird einerseits sein, den Link zwischen Millenials und älteren Mitarbeitern zu schaffen, andererseits aber vor allem eine Geschwindigkeit zu finden, die der Mensch tatsächlich auch durchhalten kann, ohne dass er mitten im Leben auf der Strecke bleibt und die Arbeitswelt ihn gnadenlos ausspuckt.
Echtes HR-Management sollte diesen Aspekt strategisch vor allen technischen Elementen in den Vordergrund stellen, wenn es nicht irgendwann mit überbordenden Fehlzeiten wegen BurnOut, Depressionen, Schlafdefizit und psychosomatischen Krankheiten bis hin zum Suizid kämpfen will.

Millenials als Maßstab für die Zukunft des HR?
Millenials als Richtschnur für die Zukunft des HR?

Millenials, und vor allem diejenigen U30,  haben keine Ahnung von dem, was auf sie in 10-20 Jahren zukommt. Sie gehen technikgewohnt und technikfordernd in die Welt, ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, was das langfristig für sie, ihre Gesundheit und ihre sozialen Bindungen bedeuten kann. Die Gefahr, dass ihre Begeisterung letztendlich zum Feuerholz für ihr eigenes Leben wird, ist heute so präsent wie nie in der Geschichte. Und dennoch wird sie weitgehend ignoriert.
Innovatives HR-Management muss zum Ziel haben, Mitarbeiter und Führungskräfte auch menschlich, seelisch und körperlich in die Digitalisierung zu begleiten, und nicht nur Werkzeug zur Verfügung zu stellen. Dies gilt im gleichen Maße für entsprechendes Changemanagement in den Unternehmen.
Insofern greife ich die erste Frage auf. Wer kann diesen Wechsel vollbringen?

Wenn er langfristig und echt nachhaltig umgesetzt werden soll, dann nicht die “Handwerker” und Technikfreaks unter den Beratern, sondern diejenigen, die Mensch und Technik einfühlsam verbinden können. Diejenigen, die verstehen, wie Menschen (vor allem auch junge) ticken, und die in der Lage sind sie menschlich zu verstehen und technisch zu begleiten (nicht nur zu beraten), ohne Ihnen einen vorgefertigten Weg zu präsentieren. Diejenigen, die auch das Bremspedal einfühlsam bedienen können und nicht nur am Gashahn drehen.
Diejenigen, die verstehen, dass die Zukunft nicht darin liegt, den Menschen um die Digitalisierung/die Arbeit zu biegen, sondern die Digitalisierung/die Arbeit um den Menschen. Zum Wohle der Gesellschaft, der Unternehmen und … des Menschen!

Hoffen wir, dass Unternehmen zu diesen Partnern finden.

Herzlichst Ihr

Michael Wieden

Mein Artikel wurde als Replik nun auch auf www.berufebilder.de veröffentlicht.

Link zum Original-Artikel


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