Ist die Natur zu doof?

Natur Alberta Berge SeenWir Menschen rühmen uns als Krönung der Schöpfung der Natur mit unseren Errungenschaften. Es gibt kaum ein Gebiet, das nicht durch „Innovation“ noch besser, schicker, bequemer und profitabler gemacht werden kann. Die Wissenschaft wird, angetrieben durch Gelder der Wirtschaft, immer mehr in diesen Strudel hineingezogen, und manchmal entstehen bei den Ergebnissen gelinde gesagt mehr Fragen als Antworten gegeben werden.

So aktuell auch in Bezug auf eine Studie zum Thema „empfohlene Schlafdauer“ aus China.
Hier wird kackfrech resümiert, dass auf Grund wissenschaftlicher Tests und Auswertungen eine empfohlene Schlafdauer von 7h ermittelt wurde. Wir kennen diese Arroganz schon länger, wenn es z.B. um die Selbstheilungsmechanismen des Körpers bzw. das Immunsystem geht. Die Natur scheint zu doof, deswegen muss der Mensch das wieder klarstellen.

Die Natur hat ihre Prozesse, Strukturen und die sich damit entwickelten Lebewesen in Jahrmillionen geformt und optimiert. Sie hat in sich ein Gleichgewicht erschaffen, welches den kleinsten Bereich berücksichtigt. Dabei braucht sie keine Planung oder irgendeine Strategie, sondern … Zeit! Kommt etwas aus dem Gleichgewicht, passt es sich quasi nach dem Prinzip „trial and error“, aber eben basierend auf den „Erfahrungen“ der Jahrtausende an. Fehler werden nicht ständig wiederholt, sondern quasi „abgespeichert“. So hat sich ein System entwickelt, das sich selbst bei vollständiger Zerstörung wieder regenerieren kann und wird. Das bedeutet: Auch wenn die Erde im menschlichen Sinne „zerstört“ ist, wird eine erste Pflanze wieder wachsen und Grundlage für neues Leben bieten.
Die Natur „opfert“ dafür sogar selbst Leben, um das Gleichgewicht dauerhaft zu erhalten. Im Laufe der Evolution sind in Fauna und Flora unzählige Arten entstanden und wieder verschwunden. Daran sollte im Übrigen der Mensch bei allem was er tut, denken.

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Das Pareto-Prinzip in der Natur

Auch wenn die Natur das Pareto-Prinzip sicher nicht „kennt“, funktioniert sie danach. Es sind wenige, ganz zentrale Grundlagen, die all das Leben, egal wie es sich in der Vergangenheit entwickelt hat und wie es sich in der Zukunft entwickeln wird, bestimmen.
Eine Grundlage bildet z.B. das Prinzip der Zellteilung, eine Weitere das darauf basierende Prinzip des Entstehens und Vergehens. Aber auch der circadiane Rhythmus, also die Chronobiologie, ist Grundlage für jedes noch so kleine Leben auf unserem Planeten … in jeder Sekunde. Ohne den Mond und ErdeTag-/Nachtrhythmus (übrigens auch kreisen, so wie der Mond um die Erde, hätten wir eine permanente Schattenseite und eine permanente Sonnenseite. Die Natur wäre von Grund auf anders organisiert. Aber die Art der Rotation der Erde um die Sonne, hat dazu geführt, dass alles um uns herum rhythmisch organisiert ist. Die Natur kennt keine Zeit, keine Sekunden, Minuten, Stunden – nur Rhythmen. Im Gegensatz zum durch den Mensch gemachten Takt, der eben exakt zeitlich terminiert ist, lebt der Rhythmus von Toleranz und Individualismus. Würde ein Herz immer im gleichen Takt schlagen, oder wir immer im gleichen Takt atmen, wären wir bei der ersten Anstrengung tot.

Der Mensch kanns besser?

Und jetzt kommt der Mensch und sagt: „Die Natur ist zu doof, ich weiß es besser!“
Da werden

  • Medikamente erfunden statt die Selbstheilungsmechanismen verstehen und nutzen zu lernen,
  • Dinge entwickelt, damit wir uns nicht mehr bewegen müssen, um dann Fitness anzubieten, damit wir uns wieder bewegen,
  • und über alle Menschen standardisierte Regeln gestülpt, wie Dinge „gesund“ abzulaufen haben, ohne darüber nachzudenken, dass wir alle Individuen sind.

Millionen Frauen können keine Kinder mehr ohne Ratgeber auf die Welt bringen, „gesundes“ Essen wird fertig gekauft, und zum Wachhalten gibt es Drinks und Beleuchtung.
Zentimeterweise wird der Mensch weiter von seiner Natur weggeschubst, um die Lücke durch „neueste Erkenntnisse“ und zunehmend digitalisierte Helferlein zu ersetzen. Für alles gibt es Ratgeber, Studienergebnisse und Regeln, die sich zudem auch noch widersprechen.
Ach ja … und es gibt ein Zeitmanagement. Man klammert sich an Uhrzeiten, Sekunden, Minuten und Stunden. Das wiederum erzeugt Druck, Stress, Krankheiten und Herzinfarkte. Genau aus diesem Grund gibt es in der Natur eben nur Rhythmen und keinen Takt.
Ich plädiere übrigens in all meinen Vorträgen in Unternehmen, einen Rhythmusmanager zu installieren.

Unlogik als Teil des Konzepts

Paradox auch oft, dass einzelne Vorgaben niemals die Wechselwirkung mit anderen Vorgaben berücksichtigen.

Beispiel Schule:
Der Mensch gibt vor, dass die Kinder um 8.00Uhr in der Schule sein müssen. Damit gibt er auch vor, dass diese Kinder nicht ausschlafen können. Er gibt aber auch vor, dass bestimmte Schulabschlüsse vorliegen müssen, um beruflichen Einstieg zu finden. Diese Vorgabe der Qualifikation steht diametral zur Vorgabe der Schulbeginnzeit, denn um diese Qualifikation zu erreichen, ist es notwendig, dass Körper und Geist den natürlichen Regenerationsprozess (Schlaf) vollständig durchlaufen können. Um dies zu rechtfertigen, wird dann das Argument der „Gewöhnung“ bemüht. Da der Mensch in anderen Zeitdimensionen denkt und handelt, wird Gewöhnung in der Regel als „High-Speed-Evolutionäre Anpassung“ verstanden. Dabei ist es nichts anderes als ein flexibles Notprogramm, welches der Körper fährt, um eine schädigende Situation für eine gewissen Zeit aushalten zu können, damit der Körper weiter funktionieren kann. Aber es ist eben nicht als „neue Normalität“ anzusehen. Ein Notstromaggregat ist ja auch nicht auf Dauerbetrieb ausgelegt, sondern dient nur als Notlösung, bis die Hauptstromquelle wieder läuft.
Solche sich gegenseitig widersprechende Vorgaben existieren in der Natur nicht.

Millionen Jahre für die Tonne?

Ja, und jetzt erzählt uns eben eine Studie aus China, dass die Natur zu doof, und deswegen zu viel Schlaf ungesund ist. Millionen Jahre Entwicklung für die Tonne.

Mir kommt das manchmal vor, als ob ein Fußballfan auf dem Sofa sitzt und mit der Bierflasche in der Hand über Trainer und Spieler herzieht.

Ich feiere die Wissenschaftler, die bei ihren Forschungen der Natur den gebührenden Respekt entgegenbringen. Der Mensch kann keine Evolution betreiben, er kann sich ihr nur anschließen.