SEMCO – DAS Idealbild eines nachhaltigen, erfolgreichen Unternehmens?

… können Sie uns bitte erzählen, von welchem Planeten sie sind?

Mit dieser ungewöhnlichen Frage eröffnete einmal der populäre, brasilianische Senator Jose Macedo eine Konferenz im Norden Brasiliens. Gerichtet war sie an Ricardo Semler, dem Inhaber des brasilianischen Konzerns SEMCO, welcher als Gastredner zu dieser Konferenz eingeladen war. Semler ist Visionär wider Willen. Den er selbst kann in seiner Form der Personalführung nichts visionäres sehen. Für ihn ist es schlichtweg logisch.

„Behandele deine Mitarbeiter wie Erwachsene, dann verhalten sie sich auch so.“

Alle gängigen und praktizierten Management und Führungsmethoden wurden hinterfragt. Ein Wort, oder besser eine Frage wurde zum Synonym für „SEMCO“.
WARUM?
Alles wurde hinterfragt, alle durften, ja, waren aufgerufen, alles zu hinterfragen. Wenn an einem Tag etwas als positiv betrachtet wurde, konnte am kommenden Tag die Diskussion erneut aufflammen, wenn jemand anderes erneut fragte „Warum“?

Eltern eines Kleinkindes (ich bin auch Vater) verstehen den Wert dieser Frage. Wenn ein Kind sein erstes „Warum“ fragt, geben wir ihm in der Regel eine sorgsam überlegte, erwachsene „richtige“ Antwort. In der Regel folgt darauf das zweite „Warum“. Man zögert nun etwas, und gibt eine noch überlegtere Antwort. Jetzt, nach der zweiten Antwort, entspringt ein drittes „Warum“ dem kleinen, unbekümmerten Mund. Nach diesem dritten „Warum“ ist die einzige Lösung, egal um was es geht: Kaufen Sie Ihrem Kind ein Eis!“ Ricardo Semler

Warum ist ein Zauberwort, welches vor allem in der heutigen Zeit von vermeintlicher Transparez, permanent abrufbaren Informationen (nicht Wissen!) vorschnell zu einer akzeptierten Antwort führen kann, sofern nicht unmittelbar das zweite „Warum“ folgt.

Fast könnte man seinen Führungsstil als „laissez-faire“ bezeichnen. Also den Führungsstil, der oftmals als ein Führungsstil bezeichnet wird, der eigentlich keiner ist!
Jetzt, nach über 25 Jahren, hat Semler etwas geschaffen, was klassische Ökonomen und Personalführungsgurus für unmöglich halten. Viele bezeichnen es als das „SEMCO-System“. Semler selbst sagt dazu: „Es ist kein System, es ist ein Samen für neue Ideen. Nur die Deutschen nennen es System!“(1)
SEMCO – Ein Unternehmen mit über 3000 Mitarbeitern, welches z.B. ohne Personalabteilung auskommt. Lediglich 2 Personen umfasst das HR-Department. Diese sind jedoch in erster Linie damit beschäftigt, sich über das zu informieren, was sich weltweit zum Thema „Personalführung“ tut und verändert. Faktischen Einfluß auf das Personalmanagement haben sie nicht. Selbstständige Teams bilden die Kernzellen des Unternehmens. Sie organisieren sich komplett eigenständig. Fixe Arbeitszeiten gibt es nicht. Schon sehr früh erkennt Semler die Effizienz selbstbestimmter Arbeit, die dem eigenen biologischen Rythmus volle Berücksichtigung gibt.

„... Gleiches gilt für den Biorythmus. Wenn ich verlange, dass ein Mitarbeiter um 8.00Uhr morgens erscheinen soll, auch wenn er jemand ist, der eigentlich bis 9.00Uhr schläft, werde ich nur ein paar Stunden seiner besten Produktivität erhalten. Und wenn ich um 18.00Uhr mein Geschäft schließe, schicke ich diese Person nach Hause obwohl sie gerade erst in Schwung gekommen ist! Seine besten Zeiten würden vielleicht zwischen 18.00 und 20.00Uhr liegen.

Weit vor 2003 hat ein einzelner Unternehmer in Brasilien bereits den Kernpunkt der Effizienz von Arbeit erkannt, und vor allem umgesetzt. Damals war die Wissenschaft der Chronobiologie in Bezug auf den Menschen in Deutschland praktisch nicht nicht vorhanden.

Wenige die einmal bei SEMCO angefangen haben zu arbeiten, haben die Firma wieder verlassen. Die Fluktuationsquote liegt unter 1%. Und Ricardo Semler kann von einigen berichten, die durchaus Ihre Schwierigkeiten mit dieser ungewohnten Form der Selbstbestimmtheit und Freiheit hatten, die Firma verließen, und nach nicht allzu langer Zeit wieder zurückkehrten. Hatten sie doch erst durch den Mangel an Freiheit in anderen Unternehmen gemerkt, wie wichtig und elementar diese für ihr Leben ist.

Dabei ist es keineswegs so, dass SEMCO hohe Gehälter zahlt. Ohnehin steht das Gehalt bei den wenigsten Mitarbeitern im Vordergrund.

Es ist völlig verrückt, diese Idee, dass die Menschen immer noch so fixiert darauf sind, wie etwas gemacht wird. Bei uns sagt keiner: ‘Du bist fünf Minuten zu spät’ oder ‘warum geht dieser Fabrikarbeiter schon wieder aufs Klo?’ (…) Wenn Du dich bei Semco im Büro umsiehst, sind da immer jede Menge leere Plätze. Die Frage ist: Wo sind diese Leute? Ich hab nicht die leiseste Idee und es interessiert mich auch nicht.

Es interessiert mich in dem Sinne nicht, dass ich nicht sicherstellen möchte, dass meine Mitarbeiter zur Arbeit kommen und der Firma eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Tag geben. Wer brauche eine bestimmte Anzahl Stunden pro Tag? Wir brauchen Leute, die ein bestimmtes Ergebnis abliefern. Mit vier Stunden, acht Stunden oder zwölf Stunden im Büro – sonntags kommen und Montags zu Hause bleiben. Es ist irrelevant für mich.“ Ricardo Semler

Herzliche Grüße

Michael Wieden


Quellen:

Rüther Christian, „Ricardo Semler und Semco: Behandle Deine Mitarbeiter wie Erwachsene“, www.christianruether.com, 01.03.2011

Ricardo Semler, The Seven-Day-Weekend, S. 31, randomhouse, 2003

David Rotter/ Sein online, http://www.sein.de/gesellschaft/neue-wirtschaft/2010/die-befreiung-der-arbeit-das-7-tage-wochenende.html, Stand 01.03.2012

 

Eine Antwort auf „SEMCO – DAS Idealbild eines nachhaltigen, erfolgreichen Unternehmens?“

  1. Ja, das kann ich mir sehr gut als eine zukünftig normale Arbeitsorganisation sehen.

    Die alten Organisation wurde nach den Revolutionen einfach weiter Übernommen. Da wurden die Leibeigenen, weil sie eben nicht frei uns somit fremdbestimmt waren, kontrolliert.

    Mich wunderte es, dass wir in unserer Arbeitswelt diese alten Unfreiheiten pflegen. Das Denken hat sich doch extrem lange gehalten. Aber nachdem ich diese kleine Geschichte kennengelernt hatte, weisß ich warum:

    Wie eine Geschichte mit fünf Affen die Analogie zu den Problemen beim Ändern von alten Prozessen aufzeigt

    Wie mir scheinen will, sind gerade Aktiengesellschaften häufig die stärksten Bewahrer dieser Fremdsteuerungen.

    Viele Grüße
    Martin Bartonitz

     

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